Matt trifft Krinzinger:
vom Erfolg einer Bregenzerin

Matt trifft Krinzinger: vom Erfolg einer Bregenzerin

Vor einigen Tagen ist einer Ihrer Künstler, Chris Burden, gestorben — ein Künstler, mit dem Sie seit vielen Jahren eng zusammengearbeitet haben. Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen? Persönliche Trauer um einen Freund?

Ursula Krinzinger: Er war nicht nur seit 1992 Künstler der Galerie. Wir waren auch Freunde, so schwierig das Arbeiten mit ihm manchmal war. Burden war ein radikaler, kluger und gleichzeitig sensibler und von seiner Arbeit besessener Künstler, ein fantastischer Dialogpartner. Wenn er etwa über das Phänomen der Zeit sprach, konnte man nicht aufhören, zuzuhören. Als ich vier Stunden nach seinem Ableben von seinem Tod erfuhr, war ich bestürzt und sehr, sehr traurig. Burden war wohl einer der allerwichtigsten internationalen Künstler. In seinem Werk spiegelt sich auch die Herkunft und Haltung meiner Galerie wider, die Begeisterung, die Entscheidung und das Interesse für körperbezogene Kunst, Body Art, Performance und den Aktionismus, Kunst, die unter der Haut brannte. Schon am Beginn meiner Tätigkeit war ich von Burden und seinen radikalen Arbeiten wie ›shoot‹, in der sich Burden von einem Freund in einer Galerie mit einem Gewehr in den Arm schießen ließ, fasziniert.

Wie würden Sie überhaupt Ihr Verhältnis zu Ihren Künstlern beschreiben? Ist das beinhartes Geschäft oder freundschaftlich-familiäre Nähe?

Ich habe sehr viele Künstlerkarrieren aufgebaut und mache das vielleicht im Gegensatz zu vielen anderen etablierten Galerien mit den ›Krinzinger Projekten‹ im 7. Bezirk, den ›artist in residence‹-Programmen, mit denen wir ein Vorläufer waren, und internationalen Präsentationen auch junger Künstler auf Messen immer noch. Es bestätigt mich in meiner Arbeit, dass Künstler, mit denen ich vor nicht allzu langer Zeit ganz jung zu arbeiten anfing und an die ich glaube, wie der Pakistaner Waqas Khan oder der Spanier Secundino Hernandez, nun global auf riesige Nachfrage mit Wartelisten stoßen. Oft gehen aber Nähe und Distanz Hand in Hand. Das Verhältnis Künstler — Galerist ist mehr als reine Geschäftsbeziehung, mehr eine Schicksalsgemeinschaft. Da sitzt man in einem Boot, gerade auch in stürmischen Zeiten. Das typische Beziehungsmuster besteht allerdings darin, dass Künstler anfangs euphorisch sind, dass jedoch, je länger sie mit einer Galerie arbeiten, ihre Ansprüche, was Einkommen und Ausstellungspräsenz angeht, oft nicht realistisch sind. Daraus entstehen Reibungen, aber letztlich sind mir die meisten Künstler treu geblieben, weil sie um Einsatz und Kompetenz der Galerie wissen und mir vertrauen. Darauf bin ich stolz.

Sie gelten als erfolgreichste Galeristin dieses Landes, Ihre Galerie zählt international zu den Top-Galerien. Was macht diesen Erfolg aus?

Der Aufbau von Vertrauen vonseiten der Künstler und der Sammler. Das erfordert lange, konsequente und intensive Arbeit. Entscheidend war von Anfang an die globale Positionierung. Schon 1972 ging ich auf die Art Basel, auch für Köln wurde ich nominiert — Chancen, die ich sofort wahrnahm. Da lernte ich von Anfang an Leute wie Warhol, Beuys und James Lee Beyers kennen. Heute sind wir auf Messen von Singapur bis Mexico City, von Miami bis Hongkong. Das macht die Galerie auch zur internationalen Drehscheibe, ein Kunstkraftwerk mit internationalem künstlerischen Know-how und unbezahlbaren Verbindungen in die internationale Kunstwelt. Ich glaube, dass Messen für mich sehr wichtig waren, weil sie den Blick für die Welt geöffnet und der Galerie von Anfang an eine internationale Dimension und Vernetzung gegeben haben. Jahrelang wurde ich dafür kritisch beäugt, jetzt reißen sich alle um wichtige Messen, deren Aufnahmekriterien sehr restriktiv sind. Ich bin nach wie vor extrem viel unterwegs, denn eine erfolgreiche Galerie lässt sich nicht vom Schreibtisch aus führen.

Gibt es so etwas wie ein Initiationserlebnis, das Sie zur Kunst brachte?

Ganz wichtig war, dass meine Mutter in der Nähe von München Familie hatte und wir oft in München Halt machten und ich so schon als Kind immer wieder Kunst anschauen konnte. Ich erinnere mich an ein Plakat von einer Kandinski- und Münter-Ausstellung, das mich als 14-Jährige gepackt hatte.

Sie haben in Innsbruck und Wien, Paris und London Kunstgeschichte und Archäologie studiert und über ein Nazarener Porträt gearbeitet. War Galeristin Ihr Berufswunsch?

Als Studentin war ich schon pausenlos in Museen und auch Ausstellungen und Galerien zeitgenössischer Kunst. Besonders beeindruckt hat mich eine frühe Rainer-Ausstellung in der Galerie im Taxispalais in Innsbruck. Ich bin, so oft ich konnte, auch der Kunst wegen nach Wien gefahren, habe mir die Ausstellungen in der Galerie nächst St. Stephan von Otto Mauer angesehen — damals das Zentrum der Avantgarde — und habe mir gewünscht, so etwas selbst zu machen.

Sie kommen aus Bregenz und haben dort 1971 mit einer Ausstellung des Künstlers Gottfried Bechtold und seinem Beton-porsche einen Skandal verursacht. Heute steht ein Bechtold-Porsche vor der Hypobank und Bechtold gilt als einer der wichtigsten österreichischen Künstler. Was hat sich in Vorarlberg geändert?

Wenn ich an die Anfeindungen und den Ärger von damals denke, bin ich heute über mich selbst überrascht, dass ich das alles gemacht habe, so radikal und bedenkenlos. Aber da gab es nicht nur Ablehnung, da kamen auch Sammler. Als ein Sammler eine Säule von Heinz Mack kaufte, war ich so glücklich, dass ich spontan die ganze Familie einpackte und nach Zürich zum Feiern fuhr. Zu dieser Zeit kam auch ein bärtiger Mann, der Schwyzerdütsch sprach, in die Galerie und machte mir Mut, als er mir sagte, dass ich einmal eine wichtige Galerie werden könnte. Der Mann war der heute berühmte Kurator Harald Szeemann, der auch Gottfried Bechtold auf seine bahnbrechende Documenta 5 einlud. Typisch für die Zeit war auch, dass wir stundenlang diskutierten und natürlich feierten. Damals kam aber alles von außen, in Vorarlberg war kein bzw. kaum Interesse, für die meisten war ich eine Spinnerin. Heute freue ich mich über die neuen Strukturen in Vorarlberg, das Interesse der Menschen an zeitgenössischer Kunst und Architektur und dass es auch Sammler gibt. Aber auch diese kaufen lieber im Ausland und auf Messen als vor Ort oder gar bei mir in Wien.

In den 1970er-Jahren eröffneten Sie Ihre Galerie in Innsbruck. Mit dem Forum für aktuelle Kunst unterhielten Sie eine Informationsgalerie und leisteten Pionierarbeit für die damalige Avantgarde. Ging da die Kunst dem Markt vor? Wovon lebten Sie?

Nicht vom Verkauf der Kunst, die ich liebte. Performance, Film, Aktionismus haben wir null verkauft, ich lebte von meiner Nachhilfeschule und einem Raum für internationale Grafik von Leger bis Kokoschka. Wichtig waren der Diskurs und die Begegnung mit den wichtigsten Künstlern der Zeit. So entstand ein unglaubliches Netzwerk, das für mich und meine Künstler bis heute ungemein wichtig ist.

Eine gute Galerie ist eine Art Kunst-Scout, sie ist Entdecker und engagierter Anwalt ihrer Künstler, hat Vorreiterrolle, bereitet das Feld für die Museen auf. Was war in diesem Sinne Ihr wichtigstes Projekt?

Da gibt es viele wichtige Projekte, aber ich glaube, dass die Ausstellung und die Gespräche 1975/76 über ›Frauenkunst — neue Tendenzen von Abramovic bis Export‹ — eine Feministen-Ausstellung, für die ich auch von männlichen Künstlern Kopfschütteln erntete — Schrittmacherdienste für Frauen in der Kunst und neue performative und politische Haltungen leistete. Wichtig war auch ein Symposium mit Josef Kosuth und anderen ›zur Definition eines neuen Kunstbegriffs‹ — Projekte, die überkommene künstlerische und gesellschaftliche Grenzen infrage stellten.

Mitte der 80er kam der Umzug nach Wien. Ihre erste Ausstellung ›aug um aug‹ klingt mehr wie eine Kampfansage denn als ein freundlicher Willkommensgruß. Prophylaxe gegen ein feindliches Wien?

Ich hatte wunderbare Räume in einem ehemaligen Offizierscasino gefunden, ein überraschendes und museales Ambiente für eine Galerie zeitgenössischer Kunst, eine Ästhetik, die damals neu und wegweisend war. Und das machte neidisch, ja wirklich feindselig. So sagte Arnulf Rainer durchaus wohlmeinend, ›mit dem Vorarlberger Sch… kommst du hier nicht durch‹. Doch die Ausstellungen waren erfolgreich, ich habe toll verkauft. Es war auch die Zeit der Neuen Wilden und des Comebacks der Malerei, und die Medien waren beeindruckt. 2002 eröffnete ich die ›Krinzinger Projekte‹ im 7. Bezirk, da zeigte ich lieber junge Kunst und Themen und machte ›Residence‹-Programme. Obwohl das damals eigentlich nicht finanzierbar war, habe ich es riskiert, und dann kamen gute Jahre ab 2005, abgesehen von der Krise 2009, und das Risiko wurde künstlerisch und ökonomisch durch die vielen guten Künstler belohnt.

Was hat sich in den Jahren, in denen Sie Ihre Galerie betreiben, am Kunstsystem geändert?

Heute ist Kunst ein gesellschaftlicher und finanzieller Faktor geworden, sie ist akzeptiert. Es gibt immer mehr Publikum für Museen und Ausstellungen, die Medien greifen Kunst auf. Früher gab es drei Galerien in Wien, heute ein Vielfaches, es gibt nach Essl und Liaunig auch eine wachsende junge Sammlerszene. Die größte Veränderung aber ist die Globalisierung der Kunstwelt. Für mich war das aber weder sensationell noch überraschend. Denn für mich endete die Kunstwelt schon lange nicht mehr im Westen, mich interessierten Asien, der mittlere Osten, Südamerika. Da war die Galerie Pionier. So waren wir die erste westliche Galerie auf der Messe in Dubai, und meine Künstler kommen mittlerweile aus Indien, China, Pakistan, Japan, Algerien, dem Libanon, von Kader Attia über Sudarshan Shetty bis Maha Malu …

Oft gibt es gerade von jenen Künstlern, die keine Galerie haben, Kritik am Kunstmarkt und am System Galerie. Da ist von Kunstmafia, von Cliquen, von künstlich gepushten Karrieren und Preisen die Rede. Ein Klischee?

Ja, ein blödes Klischee, absolut. Qualität setzt sich durch, man kann etwas nicht auf Dauer pushen. Aber Künstler brauchen gute Galerien und gute Galerien gute Künstler. Galerien machen Kunst sichtbar, kämpfen um Sammler, Museen und öffentliche Aufmerksamkeit, aber letztlich bleibt nur Qualität.

Berühmte Galerien wie Castelli oder Amelio waren untrennbar mit einer Person verbunden und existieren nicht mehr. Hat die Krinzinger Galerie einmal eine Zukunft ohne Ursula Krinzinger?

Ja, ich bin zutiefst von meinem Sohn Thomas und meiner Tochter Angelika überzeugt. Sie sind in der Galerie aufgewachsen und seit Jahren in sie hineingewachsen. Beide sind brillant. Sie werden es anders machen, aber mindestens so gut.

Sie haben vielen Ihrer Künstler seit dem Bestehen Ihrer Galerie bis heute die Treue gehalten, auch dem Vorarlberger Künstler Gottfried Bechtold.

Ja, weil ich ihn überaus schätze. Bechtold ist ein Ausnahmekünstler.

Wird man als Galerist reich?

Die Nähe zur Kunst bedeutet für mich ein spannendes und erfülltes Leben. Es ist die Kunst und der Umgang mit ihr, die reich machen, nicht das Geld. Das kommt und geht.

Vielen Dank für das Gespräch!