Hotels in der Wüste

Hotels in der Wüste

Jean Baudrillard sagte einst: ›In der Wüste muss ich die Einsamkeit nicht erst suchen, ich bin Teil davon. Ich bin auch nicht mit mir selbst allein, das wäre wieder die romantische, westliche Form der Einsamkeit. Nein, die Wüste ist für mich die klarste, schönste, hellste, stärkste Form der Abwesenheit.‹

Als 1969 die Nachricht um die Welt ging, Samuel Beckett erhalte den Nobel-Preis, war der Betroffene aus dieser Welt praktisch verschwunden: angeblich hielt sich Beckett vorsichtshalber in der tunesischen Wüste versteckt. Die Wüste war auch das ideale Szenario für viele seiner Texte. Seine Wüste ist eine Leere, ein leerer Raum, raumlose Weite, zeitlose Zeit. Sehnsuchtsort. So sehnt sich der Protagonist seiner Erzählung ›Der Ausgestoßene› nach ›der Leere des ewig gleichen Raumes‹.

Es waren auch die Wüsten, denen die großen religiösen Erzählungen entstammen. So sieht auch Paul Shepard die Wüste als ›die Landschaft der Offenbarung. Sie ist uns … fremd, sie ist karg, ästhetisch abstrakt … sie ist kühn und von erregender Wirkung auf die Fantasie. Der Wüstenhimmel ist allumfassend, majestätisch und grauenerregend zugleich … Propheten und Eremiten ziehen in die Wüste, Pilger und Verbannte ziehen durch sie. Hier haben die Gründer der großen Religionen ihr spirituelles Refugium gesucht, nicht als Zuflucht vor der Wirklichkeit, sondern, im Gegenteil, um sie zu finden.‹

Die Wüste ist ein dialektisches Nirgendwo zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Untergang und Rettung, Einsamkeit und Ruhe, deprimierender Eintönigkeit und spirituellem Höhenflug, Realität und Mythos. Ich liebe die Wüste, ihre trockene, brennende Hitze, die Schatten der regenlosen Wolken, das Schauspiel der Sterne im nächtlichen Himmel, die Kakteen, Sand, Steine und Gestrüpp, Skorpione, Schlangen, den ewig blauen Himmel und die furchterregenderen Wolkenbrüche und die sich in den Horizont verlierenden Straßen. Und ich liebe die wie Fata Morganas nach endlos anmutenden Fahrten auftauchenden Hotels und Motels, Oasen des Reisenden.

Von einer Reise durch Kaliforniens Wüste und drei einzigartigen Hotels, meinen Oasen, möchte ich Ihnen gerne berichten. Die Reise soll uns von Palm Springs über Twenty Nine Palms zum Death Valley führen.

Movie Colony Hotel, Palm Springs, California

In Palm Springs, 726 N. Indian Canyon Drive, liegt das Movie Colony Hotel, das erste architektonische Meisterstück des Architekten Albert Frey aus dem Jahr 1935, ein aus mehreren Einheiten (Suiten) bestehendes Gebäude, ein typisches Beispiel für den vom Bauhausstil beeinflussten amerikanischen Modernismus. Der aus der Schweiz stammende Architekt Frey prägte mit seinen spektakulären Bauten den Mid-Century-Modern-Stil in Palm Springs, darunter das schwungvolle Palm Springs visitor center – ursprünglich eine futuristisch gestaltete Tankstelle –, das eindrückliche Museum of Modern Art und das genial in die zum Gebirge aufsteigende Wüste integrierte Frey House. Das Movie Colony Hotel, ehemals als San Jacinto Hotel bekannt, wurde so benannt, weil in dem betreffenden Stadtviertel Stars wie Gary Grant, Elisabeth Taylor, Alan Ladd, Marylin Monroe oder Ginger Rogers wohnten. Legendär sind die Parties, die Frank Sinatra, Marylin Monroe, Mickey Rooney und später Jim Morrison im Hotel schmissen. Am Pool des Hotels soll Frank Sinatra für seinen Buddy, den damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Senator John F. Kennedy, ein Treffen mit Sam Giancana, dem gefürchteten Capo der Chicagoer Mafia arrangiert haben. Um die Ecke wohnte auch Dean Martin, der 1962 die Hauptrolle in Billy Wilders legendärer Filmkomödie ›Kiss me stupid‹ spielte.

Palms Inn, Twenty Nine Palms, California

Der etwa eine Stunde von Palm Springs im San Bernardino Valley gelegene Wüstenort 29 Palms bildete unter dem Namen Climax(!) die Kulisse für Wilders Film. Martin verbrachte jahrelang gerne seine Wochenenden in 29 Palms. Er liebte das 29 Palms Inn, das einer Oase gleich am Fuße des Joshua Tree National Parks liegende Motel. Das in der Zwischenkriegszeit gegründete und seit drei Generationen von derselben Familie geführte Motel vereint mehrere pavillonartige Häuschen, die angemietet werden können und sich um einen von Palmen gesäumten kleinen von Schildkröten und einer Hausschlange bevölkerten tropisch anmutenden Teich gruppieren. Die Annalen des Hauses berichten von feuchtfröhlichen Parties und erotischen Abenteuern in der Hitze der Wüste. Eine Frau von 29 Palms scheint es auch Frank Sinatra angetan zu haben, jedenfalls besingt er sie im Lied ›The Woman of 29 Palms, dessen Textbeginn lautet: ›She left twenty-nine broken hearts, Broken in twenty-nine parts … the lady from 29 palms.‹

Amargosa Opera House und Hotel, Death Valley Junction, California

Von 29 Palms geht unsere Reise weiter über den wenig befahrenen Highway Number Ten und führt uns zeitweise auf der berühmten Route 66 durch die endlosen Weiten der Mojave Desert nach Las Vegas und nach Death Valley Junction, auch Amargosa genannt. Amargosa ist ein gottverlassenes kalifornisches Kaff am östlichen Eingang zum Death Valley. Death Valley Junction scheint einer jener verlorenen Orte zu sein, über die man schon bei ihrer Gründung sagte, dass sie ihre besten Zeiten schon lange vorüber hätten. In der Siedlung wohnen mittlerweile weniger als 20 Menschen. Eine verrottete Bahnstation, verlassene Tankstelle und verrostete Fahrzeuge erinnern an die Goldgräberstimmung der Zwischenkriegszeit. In den 1920er-Jahren baute der Architekt Alexander Hamilton McCulloch das Nest zu einer Zwischenstation der Death Valley Railroad für die Arbeiter des Borax-Abbaus in der umliegenden Wüste aus. Als zentrales Gebäude errichtete er ein in einer U-Form gehaltenes Motel im spanisch-kolonialen Stil, das Amargosa Hotel. Nach dem Ende des Borax Booms 1928 verließen die Arbeiter und ihre Familien die Stadt, die bis Ende der 1940er-Jahre zu einer Geisterstadt verkam. Erst drei Jahrzehnte später verliebte sich die durchreisende New Yorker Tänzerin Marta Becket in den Ort, kaufte den Motelkomplex und realisierte in der angrenzenden Scheune ihren Traum eines Opernhauses in der Wüste. Die im Herbst und Winter im Amargosa Opera House stattfindenden Opernaufführungen, Tanz- und Pantomimeshows locken Besucher von Las Vegas bis L.A. an. Das Motel selbst wirkt heute wie eine Szenerie aus einem Tarantino Film.

Sollten Sie mal in die Gegend kommen, darf ich Ihnen noch folgende Hotels ans Herz legen:

Harmony Motel, Twentynine Palms

Vom Bett aus Blick in die Wüste, U2 komponierten hier.

Death Valley Inn

Nobles Hotel mit Geschichte im Herzen des Death Valley, Jane Russel soll hier mit Howard Hughes heimlich ein Wochenende verbracht haben.

Flamingo Hotel

1946 eröffnet, letztes klassisches Rat Pack Hotel, Casino und Drehort von ›Ocean Eleven‹, echte Flamingos im Garten.

Lake View Motel

Lee Vining, solides Motel der 1920er-Jahre, Ham and Eggs vor der Fahrt über den Tiara Pass.

Ahawahnee Hotel

Architektonische Perle im Yosemite Park, erbaut 1927, national Landmark, Diningroom und Salon haben Fußballfelddimension.